(Oleg Verbitsky/Kurhan@fotolia.de)Ich war gestern bei einem (für 53,- Euro übrigens ziemlich kurzen!) Vortrag von Eckhart Tolle, und auf der Heimfahrt fiel mir ein gutes Bild zum Thema Kommunikation ein:

Auch diejenigen unter uns, die sich nie eine Spielkonsole kaufen würde (zu diesen gehöre auch ich), haben sozusagen ständig eine unsichtbare Konsole vor dem Kopf: Unsere Gedanken, unsere Bewertungen, unsere Interpretationen und Vergleiche sind kaum besser, als wenn wir wirklich so ein Kästchen mit uns herumtragen und darauf herumtippen würden.

Wenn wir jemanden sehen, der mit einem Kästchen spielt, wissen wir, dass er gerade in einer anderen Welt ist. Wir wissen, dass er uns nicht zuhört. Das ist ein Vorteil, weil wir wissen, wo er gerade nicht ist. Nämlich bei uns.

Wenn man das Kästchen hingegen nicht sieht, weil’s im Kopf versteckt ist, dann mögen wir irrigerweise annehmen, der Andere würde nicht denken. Er wäre im JETZT. Würde uns womöglich sogar zuhören. Obwohl (oder vielleicht weil?)wir selbst eine Konsole haben, denken wir, unser Gegenüber spielt entweder das gleiche Spiel, oder es spielt nichts. Was für ein Irrtum! 😀

Da wir so von unserer eigenen Spiele-Konsole absorbiert sind (auf der ein Spiel läuft, das wir „Welt“ nennen), übertragen wir das Spiel auf alles, was uns begegnet. Der Typ, der uns auf der Veranstaltung den Platz wegnimmt, ist in unserem Spiel ein Ar….loch. Wir erwarten von ihm, dass er sich nach unseren Spielregeln verhält, also nach den Regeln unserer Konsole. Und weil wir so von diesem Spiel absorbiert sind, ist uns gar nicht bewusst, dass der Andere ja ebenfalls eine Konsole hat, auf der aber leider ein anderes Spiel läuft!

Was der Andere denkt, wissen wir ja meist nicht – auch wenn er uns einige Gedanken berichtet, kann er nie alle Gedanken protokollieren, die ihm kommen, weil es zu viele sind. Wir hören also immer nur Ausschnitte, Fetzen. Wenn der Andere nicht spricht (also voll in seiner Spiele-Konsole aufgeht), sehen wir nur ein stummes Gesicht. Sieht aus, als wäre er ganz ruhig – auch innerlich. Ist aber meist nicht so. Da läuft ein konstanter Denkprozess, 100% CPU-Auslastung sozusagen.

Umgekehrt ist es genauso: Der Andere kann uns nicht wirklich verstehen, weil auch er immer nur Ausschnitte, Fetzen hört. Wie er diese Gedankenfetzen zusammensetzt, wissen wir nicht – er tut es ja nach seinen Parametern (also nach den Spielregeln seiner Konsole). Niemand kann uns je wirklich kennen.
Das Spiel auf der Konsole gibt es immer nur ein einziges Mal – man kann dem Freund keine Raubkopie davon ziehen, damit er es sich mal anschauen kann.

Wenn wir uns nicht vergegenwärtigen, dass auch unser Gegenüber von einem Welt-Spiel absorbiert ist, kann sich diese Problematik in Gesprächen folgendermaßen zeigen:

Wir sagen etwas, und wir erwarten, dass der Andere uns zuhört, uns versteht, uns idealerweise sogar Recht gibt. Und vielleicht erwarten wir sogar Mitgefühl. Aber das kann man nur, wenn man aufhört, zu spielen! 😀
Es kann sein, dass wir dem Anderen vorwerfen, dass er so komisch spielt. In unserem Spiel passt sein Verhalten nämlich nicht. In seinem Spiel ist es aber absolut regeltreu – sonst täte er’s ja nicht. 🙂
Es kann sein, dass wir wollen, dass der Andere zu spielen aufhört. Aber tun wir das denn selbst?
Legen wir selbst unsere Konsole manchmal weg? Hören wir manchmal wirklich zu? Sind wir beim Anderen? Hören zu, wie er von seinem Spiel erzählt, das er gerade laufen hat?
Meist nicht, oder? 🙂
Weil uns unsere eigene dudelnde, labernde Konsole gar nicht bewusst ist.

Gestern, auf der Heimfahrt von Eckhart Tolle, wurde mir klar, dass wir von unserem Gesprächspartner Erwachtheit erwarten. Denn das, was wir von ihm erwarten, kann er nur leisten, wenn er gegenwärtig und voll präsent ist. Nur dann kann man wirklich ganz beim Anderen sein. Ok, vielleicht nie ganz wirklich – weil ich immer noch keine Kopie seiner Spiele-Version anschauen kann.
Aber wenn ich gut zuhöre und Rückfragen stelle (mich also einfühle), dann kann ich mir eine bessere Vorstellung machen, wie sein Spiel funktioniert.

Und vielleicht kann ich etwas Abstand von meinem eigenen Spiel einnehmen und sehen, was es ist: einfach nur mein popliges Spiel auf einem unsichtbaren Nintendo DS.

Ich habe oben gesagt, man kann nie wirklich gekannt werden und nie wirklich jemanden kennen. Das klingt ziemlich ernüchternd. Aber das ist es nicht. Was ich nie kennen kann, ist die Geschichte des Anderen. Sein Drama, seine Vergangenheit. Aber was ich immer erkennen kann, ist seine Essenz. Es ist die gleiche wie meine. Licht.