Framing – gezeigt am Beispiel von Impfgegnern
Politisches Framing beeinflusst uns ständig: Bilder, Worte und willkürlich hergestellte Zusammenhänge sind super geeignet, die öffentliche Meinung zu beeinflussen.
Dieses Video aus 2018 (also aus der Vor-Corona-Zeit), ist ein tolles Beispiel, wie Framing funktioniert:
Bereits die Überschrift „Die bizarre Welt“ macht klar, wo es hingehen wird, ebenso die Beschreibung in YouTube neben dem Video:
Bereits hier sieht man das Framing: Impfgegner kümmern sich nicht um offensichtliche Fakten, sondern diese sind ihnen egal. Dies impliziert, dass sie diese Fakten sozusagen wider besseres Wissen ignorieren. Oder vielleicht sind sie auch verrückt? Sie verbreiten jedenfalls nicht nur Verschwörungstheorien, sondern –Mythen – Theorien könnten ja vielleicht wahr sein, aber Mythen gehören definitiv in den Bereich der Fiktion, werden aber von den Impfgegnern als Wahrheit verbreitet. Somit handeln sie vorsätzlich. Ihre Theorien sind krude, also vollkommen abwegig, und mit ihren Horrorgeschichten (die Mythen sind also auch im höchten Maß gruselig) beeinflussen sie arglose Eltern, ihre Kinder zu impfen. Diese Eltern sind der niederträchtigen Manipulation durch die Impfgegner scheinbar hilflos ausgeliefert.
Interessant ist, dass die Position, sich und/oder Kinder nicht impfen zu lassen, nicht als zulässige Meinung betrachtet wird, sondern als gewissenlos und bekämpfenswert. Ich habe noch nie erlebt, dass medial so gegen Menschen vorgegangen wird, die in Anwesenheit ihrer Kinder rauchen oder die ihnen unbegrenzten Zugang zu stark zuckerhaltigen Lebensmitteln geben.
Ich behandele im Wesentlichen die Off-Texte, nicht die Textbeiträge der Beteiligten.
„Was aussieht wie eine Pegida-Veranstaltung“ – Obwohl es keine rechte Veranstaltung ist und nichts mit politischen Lagern zu tun hat, wird auf diese Weise das Bild von rechten Demonstrationen wachgerufen.
„Der Kampf richtet sich gegen einen imaginären Impfzwang, gegen die moderne Medizin und gegen die Presse“ – Sachlich hätte es heißen müssen „gegen einen von den Demonstranten befürchteten Impfzwang, gegen die Pharmaindustrie und gegen tendenziöse Berichterstattung der Presse.“ Durch die gewählte Formulierung wirkt der Kampf hysterisch und lachhaft. Im Übrigen ist die Formulierung imaginär unzutreffend, denn es gibt seit 1. März 2020 tatsächlich eine Impfpflicht gegen die Masern.
„Mancher Aktivist traut sich mit kruden Thesen aus der Deckung“ – Sachlich hätte es heißen können: „Mancher Aktivist gibt uns doch ein Interview, obwohl einer der Sprecher gebeten hatte, von Interviews abzusehen.“ Warum der Sprecher die Teilnehmer gebeten hat, keine Interviews zu geben, erschließt sich aus dem Gesamtzusammenhang: SPIEGEL TV ging es tatsächlich gerade darum, tendenziös zu berichten und die Demonstranten zu verunglimpfen.
„Alles andere sind für die Kinderärztin Hirngespinste.“ Sachlich hätte es heißen können: „sind für die Kinderärztin unzutreffende Vermutungen.“
Es folgt ein Beitrag über einen bedauernswerten jungen Mann, der wegen einer Masernerkrankung mit 8 Monaten als Heranwachsender an SSPE erkrankt ist – weil die Krankheit noch nicht ausgerottet ist, weil die uneinsichtigen Impfgegner dieses Ziel vereitelt haben.
Der Organisator, Hans Tolzin, der im Bild zu sehen ist, wird eingeführt mit „hat einen Hang zum Theatralischen“, als er das Podium betritt, wobei er nichts bemerkenswert Theatralisches tut. In einer anderen Szene hingegen wehrt er sich massiv dagegen, gefilmt zu werden und wird verzweifelt, aggressiv und handgreiflich. Und es ist in den meisten Formaten gang & gäbe, Personen, die nicht gefilmt/interviewt werden wollen, mit einem augenrollenden, verächtlichen Subtext zu belegen, der sagen soll: „Naja, wenn er/sie seine/ihre Position so toll findet, müsste er/sie ja wohl nichts dagegen haben, das im Fernsehen zu wiederholen, oder?“ So auch hier.
Die Tatsache, dass Herr Tolzin aggressiv wird und seine Stimme sich überschlägt, wird für die nächste Überleitung genutzt: „Die Gruppe Impfteddys kennt die Aggressivität der Impfgegner.“ Damit wird der Eindruck erzeugt, alle Impfgegner seien aggressiv. Pars pro toto. Es folgt ein Beitrag über die Facebookgruppe Impfteddys, der aus Schutz der Mitglieder unscharf ist. Die Gruppe betreibt Aufklärung pro Impfen, und eine Dame, die in Facebook offensichtlich gerne Impfgegner aufklärt, äußert Angst um ihr Leben.
Nächster Off-Text, der mir auffiel: „Das Internet nutzen Impfgegner gezielt, um zu verunsichern.“ Vor meinem inneren Auge ensteht das Bild einer Gruppe von Menschen vor, die sich in böser Absicht zusammenrotten und hämisch lachend aushecken: „Au ja, lass‘ uns die Menschen übers Internet mal so richtig verunsichern, damit sie ihre Kinder nicht impfen lassen und diese dann sterben, muahahaha!“
„Fakten sind oft einen Mausklick von blankem Unsinn entfernt.“ – Es gibt also nur Fakten und blanken Unsinn. Die eine Sorte Information ist 100% wahr, die andere ist 100% falsch, und zwar so falsch, dass man sie nur als blanken Unsinn bezeichnen kann. Normaler Unsinn reicht nicht. Dadurch wird der Eindruck erweckt, jemand hätte ihn sich ausgedacht. Sachlicher hätte man formulieren können, jemand hätte ein Thema recherchiert und sei zu einer falschen Schlussfolgerung gekommen.
„Man sieht sich in einer Reihe mit Freiheitskämpfern und Dissidenten“ – Eine despektierliche Formulierung, die andeuten soll, dass die Annahme lächerlich und aus der Luft gegriffen ist. Der Sprecher ahmt geschickt den Tonfall solcher Berichterstattung nach, und man möchte schon lachen und ihm zustimmen, doch das Lachen bleibt einem im Halse stecken, weil dann wieder der arme junge Mann eingespielt wird, der unter SSPE leidet. Es wird impliziert, dass die Impfgegner gewissenlos sind und dadurch natürlich schuld an der Krankheit des Jungen. Das ist ein billiger Trick, denn natürlich gibt es auch Opfer von Impfschäden, die man genauso medial aufbereiten kann.
Man kann zum Impfen stehen, wie man will, aber mir ist sachliche Berichterstattung wichtig. Ich möchte Framing aufdecken, wo es mir begegnet, um Menschen dafür zu sensibilisieren, wie sie beeinflusst werden.
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