Anerkennung und Wertschätzung von außen machen süchtig.

Im Grunde bin ich froh, dass ich nicht wahnsinnig gut singen kann (genau genommen kann ich nach  Aussage meiner Tochter nicht mal den Ton halten), denn so komme ich gar nicht in die Versuchung, ein Star zu werden und in der Liebe einer größeren Menge Menschen baden zu  können – und zu wollen. Denn was ist, wenn die Anerkennung wegfällt? Man fällt in ein tiefes Loch, wenn man nicht immer Nachschub bekommt.

Ich merke das auf Twitter und Facebook. Eigentlich bin ich da ja nur, weil ich als Selbstständige – noch dazu als Werbefachfrau! – natürlich in den Social Media vertreten sein muss. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Es streichelt nämlich auch mein Ego, wenn jemand mich toll findet oder etwas, das ich auf Facebook oder Twitter veröffentliche. Ich bin also schon angefixt. Hänge an der Nadel der Anerkennung.

Auf meinem persönlichen Facebook-Profil habe ich keinen besonders starken Drang, mit möglichst vielen Leuten befreundet zu sein, denn ich kenne die meisten ja sowieso nicht. Aber auf meiner Unternehmens-Fanpage oder Twitter sammele ich Fans bzw. Follower wie früher Briefmarken (obwohl ich genau genommen nie Briefmarken gesammelt habe).

Aber ich werde drogenmäßig sehr kurz gehalten:  Denn nur selten bekomme ich auf Facebook Likes oder Reaktionen, und wenn dann nur wenige, also von ganz treuen Fans. Auf Twitter verfüge ich über die Spezialfähigkeit, auf Twitter seit Monaten (!) meine Followerzahl zwischen 430 und 440 zu halten.  Ist ja eigentlich egal, könnte man denken, aber ist es mir eben nicht. Und das ist das Problem.

Vordergründig ist es mir nur deshalb nicht egal, weil ich als Werbefachfrau ja mit gutem Beispiel vorangehen muss. Hintergründig – und das ist peinlicher – ist es mir vor allem deshalb nicht egal, weil ich neidisch bin auf die Anderen, die viel mehr Follower haben als ich. Da sind zum einen solche, die wirklich lustiges Zeug schreiben – auf die bin ich neidisch, weil mir nicht ständig was Lustiges einfällt. Schlimmer sind aber die Anderen, die nur Mist schreiben und trotzdem teilweise mehrere tausend Fans haben, wie z.B. der Griesgrämer:

 

Auf Twitter wird so viel Gülle geschrieben, und manches von der Gülle wird hundertfach gefavt (für die Nichteingeweihten: man gibt dem Tweet ein Sternchen), wohingegen ich noch nie auch nur den allerkleinsten Pokal bekommen habe.  Cry

Und am schlimmsten ist es für mich, wenn jemand auf Facebook (oder auf Twitter) etwas teilt, das ich zuerst geteilt hatte, und wenn derselbe Inhalt, der niemanden interessiert hat, als ich ihn geteilt habe, plötzlich eine Welle von Zustimmung und Reaktionen erhält, wenn die andere Person ihn teilt. Das ist wie in der Schule, wenn man laut einen Witz erzählt und niemand hört zu, aber wenn ein anderer Schüler denselben Witz nochmal erzählt, dann lachen alle.

Dem zu Grunde liegt die Sucht nach Anerkennung. Ich kann meine Sucht deshalb so offen zugeben, weil ich weiß, dass fast jeder an ihr erkrankt ist. Wir alle wollen von Anderen gesehen werden, von Anderen anerkannt werden, von Anderen wertgeschätzt werden. Manche Stars, die vor langer Zeit schon bessere Tage gesehen haben, berichten in der Yellowpress daher über jeden Pickel, den sie sich ausdrücken, damit man sie sieht. Und jammern, wenn sie nicht so gesehen und gepampert werden, wie sie es sich wünschen.

Denn wenn wir das warme Bad in der Zuneigung der Anderen einmal erlebt haben, wollen wir es immer wieder haben. Und jede Dosiserhöhung hebt den Standard: wenn ich einen Tweet absetzen konnte, der für meine Verhältnisse Hammer-Retweets oder Sterne erringen konnte (also z.B. zehn), dann stehe ich auf einmal unter dem Stress, noch öfter solche Retweet-Zahlen erreichen zu müssen wollen. Geht meist nicht. Ich komme also auf Entzug.

Anerkennung von außen macht nicht satt.

Anerkennung und Wertschätzung von außen muss immer wieder erneuert und möglichst gesteigert werden: Ein Star, der mal in der Jahrhunderthalle (maximal 4.800 Menschen) gespielt hat, muss das nächste Mal die Festhalle füllen (unbestuhlt passen dort 13.500 Menschen rein). Jede neue CD sollte sich besser verkaufen als die davor, und auch das bedeutet: Mehr Fans, damit mehr Anerkennung – und scheinbar mehr Liebe. Manche Künstler, wie z.B. Percy, ein Voice-Teilnehmer der ersten Staffel, sagen selbst von sich, dass sie die Bühne brauchen, um glücklich zu sein. Und gerade bei Percy merkt man das auch: Er verausgabt sich vollständig, wenn er singt, und mir scheint es immer, als ob er sich den ultimativen Anerkennungs-Kick geben will.
Anerkennung ist aber bei vielen Künstlern keineswegs die einzige Droge, von der sie abhängig sind: Viele Künstler wie Janis Joplin, Amy Winehouse, Jimi Hendrix etc. fanden den Tod in den Drogen, weil sie süchtig waren nach guten Gefühlen und die schlechten nicht aushalten wollten. Wenn man ständig gut drauf sein muss, diesen Zustand aber nicht aus dem eigenen Inneren erzeugen kann, kollabiert man eben irgendwann.

Anerkennung von außen betäubt den Mangel an Anerkennung für sich selbst.

Wenn ich viele Kunden habe, fühle ich mich wichtig, kompetent und prima. Ich leide dann zwar manchmal unter der vielen Arbeit, aber das ist ein Luxusproblem. Wenn die Kunden mal eine Zeitlang wegbleiben oder wenn mir jemand sogar einen Auftrag absagt, kann es an schlechten Tagen vorkommen, dass ich mich unwichtig und inkompetent fühle. Gleiches gilt, wenn ich von einer Kollegin höre, dass sie eine Sekretärin hat, oder dass alle ihre Seminare ausgebucht sind. Mein vom Erfolg aufgeblasenes Ego schrumpelt dann zusammen wie ein Luftballon. Ich brauche Anerkennungs-Nachschub. Den nächsten Schuss. Aber bitte eine ordentliche Dosis.

Ich will von der Droge Anerkennung runter.

So wie ein Raucher seinem Körper erst mühsam beibringen muss, wieder selbst Dopamin zu erzeugen, nachdem das Nikotin wegfällt (das dem Körper diese Funktion abgenommen hatte), will ich ohne Anerkennung von außen auskommen.

Mein Freund Markus Schneider sagte dazu, um sich selbst anzuerkennen, müsse man das Gefühl zulassen, der überflüssigste Mensch im ganzen Universum zu sein. Man müsse es vollständig zulassen. Ich würde Ihnen jetzt gerne verraten, wie es funktioniert, aber ich weiß nur aus zweiter Hand, dass es geht. Was ich Ihnen aber anbieten kann, ist ein Zitat aus dem großartigen Buch „Wenn alles zusammenbricht – Hilfestellung für schwierige Zeiten“ von Pema Chödrön:

Bestimmte Gefühle können besonders stark mit der Gier nach Lösungen aufgeladen sein: Einsamkeit, Langeweile und Angst. So lange wir nicht gelernt haben, uns auch in diesen Gefühlen zu entspannen, ist es sehr schwierig, in ihrem Brennpunkt zu bleiben, wenn wir sie erfahren. Wir möchten auf keinen Fall den rohen Schmerz aushalten, der sich einstellt, wenn uns jemand verlässt. Stattdessen beschwören wir das vertraute Selbstbild des hilflosen Opfers herauf und identifizieren uns damit. Oder wir vermeiden den Schmerz durch Aktionismus. (…) Einsamkeit ist ruhelos, unheilschwanger und aufgeladen mit dem dringenden Wunsch, jemanden zu finden, der uns Gesellschaft leistet. Wenn es uns aber gelingt, in ihrer Mitte zu ruhen, fangen wir an, eine neue Beziehung zur Einsamkeit aufzubauen, die nichts Bedrohliches mehr hat. Wir lernen ein kühles und entspannendes Alleinsein kennen, das unsere üblichen Muster auf den Kopf stellt.

Chödrön stellt sechs Tugenden des Alleinseins fest:

  1. Bereitschaft, das Alleinsein ohne Lösung zu erfahren.
  2. Zufriedenheit: wenn wir nichts besitzen, haben wir nichts zu verlieren.
  3. Vermeiden unnötiger Aktivität
  4. Disziplin, einfach still zu sitzen.
  5. Nicht in der Welt der Begierde wandern.
  6. Keine Sicherheit vom diskursiven Denken erwarten.

 

Roland Kopp-Wichmann hat mir vor kurzem geschrieben, auch wenn man nicht nach Anerkennung von außen süchtig sein dürfe, sei sie wichtig, weil wir soziale Wesen seien und Austausch bräuchten. Austausch ist aber etwas anderes als Anerkennung. Markus Schneider z.B. ruht so sehr in sich selbst, dass er keine Anerkennung braucht – und seltsamerweise sehr viel davon bekommt. Aber genau genommen ist es nicht seltsam, sondern völlig normal. Denn Menschen, die ich tief in sich ruhen, haben ein glückverheißendes Feld um sich herum, in dem andere Menschen gerne baden.

Da möchte ich gerne hin. Und dann wird mir die Zahl meiner Follower oder Facebook-Likes wahrscheinlich völlig egal sein. Und bis dahin nutze ich die vielfältigen Gelegenheiten, zu lernen und das Jetzt in all seinen Facetten zu akzeptieren.

Etwas anderes wird mir vermutlich auch nicht übrig bleiben.